SÜDINDIEN – TAG 8 – WARUM INDIEN?
SÜDINDIEN – TAG 8 – WARUM INDIEN?

SÜDINDIEN – TAG 8 – WARUM INDIEN?

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Meine Reise nach Südindien hat einen tieferliegenden Zweck als den Besuch eines Panchadasi-Workshops oder die Produktion eines Filmes mit einem von mir verehrten Lehrer.

Indien mag für Westler laut, dreckig und chaotisch anmuten. Doch genau hier in dieser turbulenten, bunten und nicht unumstrittenen Kultur am anderen Ende der Welt erwarte ich, die nötige Ruhe, Inspiration und Gottesgegenwart zu erfahren, um die richtige Richtung für mein weiteres Leben in meiner Heimat auszumachen. Ich komme mit festem Vertrauen, vollster Zuversicht und frei von jeglichem Zweifel darüber, zur richtigen Zeit am genau richtigen Ort zu sein.

Der in diesem Teil der Welt körperlich spürbare innere Frieden und die alles und jeden durchdringende spirituelle Energie ziehen mich auf diesen kleinen orientierenden Abschnitt des von mir vor einiger Zeit eingeschlagenen Weges der Selbstbetrachtung, des Hinterfragens, des Wach- und Wachsamseins, der Unterscheidung, der Liebe, der Rücksichtnahme, des Verständnisses, des Mitgefühls, der Hingabe und des Vertrauens. Dieser Weg erschien anfänglich extrem schmal, und es fiel schwer, ihn überhaupt zu treffen. Aber es scheint, dass er langsam immer breiter und der Schritt auf ihm sicherer wird.

Ich suche ganz bewusst die körperliche Nähe zu diesem Ort, der Heimat, Lehrer und Zeuge des Wirkens zahlloser erleuchteter Frauen und Männer ist, deren geistige Hinterlassenschaft das Potential hat, jeden Menschen im Osten und im Westen zu befreien, im Innern und damit im Außen.

Jeder hat schon erfahren, dass die Aspekte unserer geistigen und körperlichen Existenz auf die wir die Kraft unserer Gedanken und unsere Aufmerksamkeit lenken, verstärkt werden. Indien ist für mich ein einziger, starker und kollektiver Gedanke – Ich bin eins mit dem Einen.

Hier in diesem Land, das materiell so wenig und spirituell umso mehr zu bieten hat, will ich jenseits jeder westlichen Routine dem Leben, der Welt, ja Gott Gelegenheit geben, sich mir mitzuteilen. Und ich will Zeit haben, aufmerksam zu sein, um die Zeichen auch zu wahrzunehmen. Erwarte ich wirklich, dass Gott mir einen Wink gibt? Klar! Er tut 24 Stunden 7 Tage die Woche nichts anderes. Wir müssen nur hinschauen, und das hier ist meine HINSCHAU-AUSZEIT.

Was ist die richtige Richtung im Leben? Es ist immer die Richtung, die uns zu einem angestrebten Ziel führt, oder?

In unserer Vorstellung gibt es uns als Person hier und ein angestrebtes Ziel oder Objekt der Begierde irgendwo in der Zukunft. Das Leben nehmen wir als die Zeit wahr, die zur Überwindung der Hindernisse bis zu unserer Vereinigung mit diesen Dingen nötig ist. Angetrieben werden wir dabei von Gefühlen des Mangels, der Unvollkommenheit, der Getrenntheit und der Vorstellung, dass das Erreichen dieses Ziels etwas daran ändern würde.

Was wäre aber, wenn es gar keine Unvollkommenheit gäbe, die durch irgendetwas aufgefüllt werden müsste? Ist das möglich? Was wäre, wenn ich mich diesmal für einen Weg, ein Ziel entscheiden will, ohne die Motivation, einen nicht vorhandenen Mangel auszugleichen, sondern aus dem Gefühl der Vollständigkeit und Liebe und dem Bestreben heraus, dem kosmischen Spiel zu dienen? Bin ich dazu in der Lage? Okay, wir dienen niemals nicht dem kosmischen Spiel, ob wir nun bewusst leben und unsere Gedanken, Worte und Taten hinterfragen oder nicht. Aber es muss einen Unterschied geben. Ist unsere Motivation der Schlüssel für die Erfahrung, die wir im Leben machen?

Es ist nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich frage, was ich als nächstes tun sollte. Ziele gab und gäbe es zahlreiche. Ich war in meinem Leben bisher mehrheitlich mit genügend Talent, Fähigkeiten und Tatkraft gesegnet, Wege zu finden, mir wichtige Ziele auch zu erreichen. Doch sobald sich ein Erfolg in meinem Leben einstellte, war er auch schon Teil meiner Vergangenheit geworden und hinterließ in meiner Gegenwart einen leeren Raum, der ungeduldig und flehend nach dem nächsten Erfolg schrie. Was war die versteckte Triebfeder hinter diesem sich ständig wiederholenden Prozess des Anstrebens, Verfolgens und wieder Loslassenmüssens? Alle Ziele, die ich verfolgte, erreichte oder auch nicht erreichte, musste irgendetwas miteinander verbinden.

Die Frage nach der Quelle des andauernden Glücks im Leben ist so alt wie die Menschheit selbst. Zu keiner Zeit bezweckte ein Mensch mit seinen Taten, unglücklich zu werden. Selbst Menschen, die sich selbst oder anderen Leid zufügen, tun dies, um sich besser zu fühlen. Und so waren wie bei jedem Menschen den das Antlitz dieser Welt je beobachtet hat auch sämtliche meiner Wünsche und Ziele im Leben immer ein Vehikel für das eine übergeordnete Ziel, das jeden Menschen im Leben antreibt, die einfache aber anscheinend unstillbare Sehnsucht danach, für immer glücklich zu sein. Ich selbst Jesus, der das Leid der ganzen Welt auf seine Schultern geladen hat, tat dies wohl, weil es ihn glücklich machte, der Schöpfung seines Vaters zu dienen.

Ich brauchte knapp vierzig Jahre, um endlich zu erkennen, dass das Erreichen eines Großteils meiner selbstgewählten Ziele im Leben den dahinter liegenden Wunsch nach anhaltendem Glück nicht erfüllen konnte. Waren wir Menschen etwa dazu verdammt, stets zwischen Glücklich- und Unglücklichsein hin und her zu pendeln? Warum finden wir uns nicht einfach damit ab, unglücklich zu sein? Was ist unser natürlicher Gemütszustand und warum? Wann sind wir wirklich glücklich und was vertreibt das Glück stets so verlässlich? Welche Kräfte wirken da?

Wenn ich schon ein halbes Menschenleben gebraucht hatte, zu mutmaßen, dass ein Fehler in meinem Jagd-Nach-Glück-System stecken könnte, wie lange würde es wohl dauern, diesen zu entschlüsseln und den richtigen Weg zu finden? Vielleicht sind nur ein Menschenleben und die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung durch bloße Selbstbeobachtung nicht die geeigneten Mittel, um Antwort auf diese Fragen zu erhalten. Genau wie ein Menschenleben kaum lang genug wäre, das gesamte Wissen, das zum Bau eines Passagierflugzeuges nötig ist, zu enthüllen. Das Wissen um die physikalischen Gesetze, die Gewinnung der Materialien und der Herausforderungen der Konstruktion von Flugzeugen, das den Menschen heute ermöglicht, in zehntausenden Metern Höhe binnen Stunden um die Welt zu reisen, wurde von zahlreichen Menschen über mehrere Generationen nach und nach enthüllt und wie ein Puzzle zusammengefügt. Wie komplex ist erst das menschliche Wesen im Vergleich zu einem Flugzeug in Aufbau und Funktion, und wie viele Generationen des Selbst-Studiums bedarf es wohl, dessen Geheimnisse zu entschlüsseln? Welch eine unglaubliche Intelligenz und Kreativität steckt hinter dem Schöpfungsakt eines menschliches Wesens?

„Wo Deine Talente auf die Bedürfnisse der Welt treffen, dort liegt Deine Berufung“, habe ich vor kurzem auf Facebook gelesen. Ich bin mir nicht sicher, ob es Fluch oder Segen ist, dass der Schöpfer mich aus meiner Sicht mit mehr als nur einem Talent bedacht hat. Aber ich bin mir sicher, dass alles aus gutem Grund geschieht. Und so richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Orte, an denen ER mit uns spricht, im Innern und im Außen.

Es gibt im Innersten unseres Wesens keinen Mangel, es gibt nichts zu verbessern, aber es gibt eine Verantwortung, die aus der Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens erwächst, die Verantwortung, das richtige im Leben zu tun. Aber was das ist? Vielleicht das wovon ich möchte, dass es auch mir geschieht. Ich kann bei allem was ich tue, die Perspektive wechseln, in die durch meine Handlungen tangierter Menschen, Tiere, Pflanzen, Wälder, Flüsse, Seen was auch immer. Wer könnte schon alle Auswirkungen unserer Handlungen auf das Ganze abschätzen? Sie wären wohl endlos mit der gesamten Existenz von allem verbunden und somit mit allem und jedem. Alles in dieser Welt ist für uns und alle anderen Wesen als perfektes und verlässliches System geschaffen, und unsere Verantwortung ist es, uns in Harmonie mit den Gesetzen, die in der Welt wirken zu bewegen. Tun wir das nicht, erzeugen wir Leid, für uns selbst und andere. Nicht Gott schafft Leid sondern nur der Mensch in seiner Gott gegebenen Fähigkeit, sich auch gegensätzlich zur Harmonie zu verhalten. Alles hat Konsequenzen.

Eigentlich erwarte ich keine überraschenden Einsichten. Ich habe zwei drei mögliche Lebens-Modelle, die meiner sich verändernden Sicht auf mich selbst und die Welt Rechnung tragen und Routine und Berufung mit einander verbinden könnten in meinem Hinterkopf. Aber ich bin offen für jegliche Form der Eingebung. Heute bin ich den achten Tag in Südindien und 62 weitere sollen folgen. Spannend das!